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Die US-Wahl und die „Demokratie in Amerika“
Kategorie: Politik / Wirtschaft, Europa & Welt
Im Demokratieindex des Jahres 2019 werden die USA als „unvollständige Demokratie“ eingestuft, sie belegen Platz 25 unter 167 Ländern. Einerseits herrscht in den USA ein ungewohntes Maß an politischer Meinungsfreiheit, sie übertrifft jene europäischer Länder bei weitem. Selbst regimekritische Meinungen zur Demokratie bis hin zur Verherrlichung des National-Sozialismus werden nicht mit der für Westeuropa typischen Verfolgung bedroht.
Andererseits ist die Repräsentation der Bevölkerung durch die Herrschenden ungewöhnlich schwach ausgeprägt. Zahlreiche Beobachter konstatieren die politische Dominanz einer kleinen Machtelite, die in Politik, Militär und Wirtschaft den Ton angibt und die durch die Meinungsfreiheit nicht gefährdet wird. Durch ein komplexes Netzwerk von Stiftungen, Think-Tanks und Medien bestimmt diese Elite die öffentliche Meinung und die Grundlinien der Politik. In diesem Sinne sind die USA ein Muster-Beispiel für eine Finanz-Oligarchie. Die Herrschaft einer vermögenden Oberschicht nimmt eine ähnliche Rolle ein wie die des Geburts-Adels in früheren Zeiten. Von der Wissenschaft wird die Bezeichnung Plutokratie im allgemeinen vermieden. Die Herrschaft der Reichen kann damit legitimiert und ökonomisch abgesichert werden, daß sie der Masse der Bürger ein ausreichendes Einkommen und einen weltweit vergleichsweise hohen Lebensstandard bietet. Für die Randgruppen der Gesellschaft, besonders die Schwarz-Amerikaner, die daran aus rassischen Gründen nicht teilhaben, wird diese Legitimation jedoch erkennbar zunehmend hinfällig.
Als Instrument der Herrschaftssicherung der US-Eliten fungiert ein System aus zwei politischen Lagern, die sich zwar Parteien nennen, aber mit den Parteien in Europa wenig gemein haben. Es handelt sich um lockere Wahlvereine, die keine Vorsitzenden, keine Mitgliedschaft und keine festen Programme kennen und die nur zur Bestimmung von Kandidaten politisch aktiv werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß in beiden Gruppen immer Kandidaten eines Establishments an die Spitze gelangen, das aus Angehörigen der Dynastien des US-Geldadels besteht. Nur sie können das Geld für eine Kampagne aufbringen, weil sie selbst zu den Superreichen gehören oder eine Gruppe von Superreichen hinter sich wissen.
In diesem Sinne erscheint die Einstufung der USA als „unvollständige Demokratie“ als eine verharmlosende Untertreibung. Sie ist eine gut organisierte, historisch verfestigte Herrschaft der Reichen.
Auf Grund ihrer machtpolitischen Führungsrolle ist es der US-Machtelite nicht nur gelungen, ihrer eigenen Bevölkerung die feste Überzeugung zu vermitteln, daß die USA Mutter- und Musterland der Demokratie seien, sondern dieses Wissen mehr noch weltweit durchzusetzen und sich damit als „Führende Demokratie“ der Welt zu präsentieren.
Ohne Zweifel treten die USA für die weltweite Durchsetzung der „Demokratie“ - d.h. ihrer Auffassung von Demokratie - ein. Als Zweck dahinter kann man jedoch auch ein starkes Interesse an der Aufrechterhaltung ihrer politischen und ökonomischen Überlegenheit mit allen daraus erwachsenden Vorteilen erkennen. So wie das Narrativ von der Demokratie zur Ruhigstellung der Bevölkerung in eigenen Lande dient, so eignet es sich auch dazu, einen möglichst großen Teil der Staaten der Welt unter der Führung der USA - sprich: also der US-Elite - zu vereinen.
Egal ob nun Biden oder Trump regiert, ob Obama oder Clinton, jenseits aller Euphorie um die Wahlen in Amerka sollten sich die Europäer über den Charakter der Demokratie in Amerika nicht täuschen lassen.
Selbst wenn es auch um sie geht, Begeisterung ist unbegründet. Denn bei der „Demokratie in Amerika“ hat sich ein Missverständnis herausgebildet, das dringend der Aufklärung bedarf.
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